Stellungnahmen.
Artikel
FZA und AuG: Zwei Gesetzestexte mit sehr unterschiedlichen Behandlungen
Sowohl das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU sowie den EFTA-Staaten (FZA) als auch das Ausländergesetz (AuG) sind Gesetzestexte im Bereich der Migration, welche die Ein- und Ausreise und den Aufenthalt von Ausländern regeln. Der erste betrifft An-gehörige von Staaten, die das Freizügigkeitsabkommen unterzeichnet haben. Der zweite betrifft Angehörige von Drittstaaten (die nicht Teil des Freizügigkeitsabkommen sind).
Vergleicht man diese beiden Texte, stellt man einen Unterschied zwischen dem Recht auf Ein-reise und auf Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz für einen Angehörigen eines EU/EFTA-Staates gemäss FZA und der Möglichkeit des Erhalts einer Aufenthaltsbewilligung für einen Angehörigen eines Drittstaates gemäss AuG fest. Währendem die Behörden gemäss FZA die Pflicht haben, eine Aufenthaltsbewilligung auszustellen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, haben die Behörden gemäss AuG einen Ermessensspielraum, wenn es um die Ertei-lung einer Aufenthaltsbewilligung geht.
Des Weiteren gibt es zwischen den beiden Regelungen grosse Unterschiede im Bereich des Fa-miliennachzugs. Diese führen sogar dazu, dass die Schweizerinnen und Schweizer in ihrem ei-genen Land diskriminiert werden (Inlandsdiskriminierung) und dies trotz des Verbots der Dis-kriminierung gemäss Artikel 2 des FZA in Verbindung mit Artikel 8 Abs. 1 der Bundesverfas-sung und Artikel 18 AEUV.
Der Kreis der Familienangehörigen, die Anrecht auf Familiennachzug haben, ist im FZA weit gefasst: Ehegattin und Ehegatte, eingetragene(r) Partner(in), Konkubinatspartner(in), Kinder bis zum Erreichen des 21. Lebensjahres und Kinder, die älter als 21 sind, sowie andere nahe Ver-wandte, unter der Voraussetzung, dass der Gesuchsteller ihnen Unterhalt gewährt (Art. 3 Anhang I FZA). Für die Angehörigen von Drittstaaten und die Schweizerinnen und Schweizer gilt eine engere Definition der Familienangehörigen. Laut AuG zählen dazu Ehegattin und Ehegatte, ein-getragene(r) Partner(in) und minderjährige Kinder (Art. 42ss AuG).
Zudem sieht das Recht auf Familiennachzug nach FZA keine Frist vor, währendem das AuG eine Frist von 5 Jahren für die Ehegattin oder den Ehegatten und Kinder unter zwölf Jahren und eine Frist von einem Jahr für Kinder ab dem 12. Lebensjahr kennt (Art. 47 Abs. 1 AuG).
Das Hinzufügen der Artikel 42 Abs. 2 und 47 Abs. 2 AuG nach dem Modell des FZA, welche den Schweizerinnen und Schweizern das Recht auf Familiennachzug für Familienangehörige mit einer dauerhaften Aufenthaltsbewilligung in einem EU- oder EFTA-Staat gewährt, löst dieses Problem nicht und die Diskriminierung bleibt bestehen.
Allerdings bleibt abzuwarten, ob das FZA nach der Annahme des Initiative gegen Massenein-wanderung der SVP vom 9. Februar 2014 noch Anwendung findet. Zum heutigen Zeitpunkt ist die Anwendung des FZA als Teil des internationalen Rechts direkt und unmittelbar.
Alfred Ngoyi
Jurist, spezialisiert im schweizerischen Migrationsrecht
Vergleicht man diese beiden Texte, stellt man einen Unterschied zwischen dem Recht auf Ein-reise und auf Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz für einen Angehörigen eines EU/EFTA-Staates gemäss FZA und der Möglichkeit des Erhalts einer Aufenthaltsbewilligung für einen Angehörigen eines Drittstaates gemäss AuG fest. Währendem die Behörden gemäss FZA die Pflicht haben, eine Aufenthaltsbewilligung auszustellen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, haben die Behörden gemäss AuG einen Ermessensspielraum, wenn es um die Ertei-lung einer Aufenthaltsbewilligung geht.
Des Weiteren gibt es zwischen den beiden Regelungen grosse Unterschiede im Bereich des Fa-miliennachzugs. Diese führen sogar dazu, dass die Schweizerinnen und Schweizer in ihrem ei-genen Land diskriminiert werden (Inlandsdiskriminierung) und dies trotz des Verbots der Dis-kriminierung gemäss Artikel 2 des FZA in Verbindung mit Artikel 8 Abs. 1 der Bundesverfas-sung und Artikel 18 AEUV.
Der Kreis der Familienangehörigen, die Anrecht auf Familiennachzug haben, ist im FZA weit gefasst: Ehegattin und Ehegatte, eingetragene(r) Partner(in), Konkubinatspartner(in), Kinder bis zum Erreichen des 21. Lebensjahres und Kinder, die älter als 21 sind, sowie andere nahe Ver-wandte, unter der Voraussetzung, dass der Gesuchsteller ihnen Unterhalt gewährt (Art. 3 Anhang I FZA). Für die Angehörigen von Drittstaaten und die Schweizerinnen und Schweizer gilt eine engere Definition der Familienangehörigen. Laut AuG zählen dazu Ehegattin und Ehegatte, ein-getragene(r) Partner(in) und minderjährige Kinder (Art. 42ss AuG).
Zudem sieht das Recht auf Familiennachzug nach FZA keine Frist vor, währendem das AuG eine Frist von 5 Jahren für die Ehegattin oder den Ehegatten und Kinder unter zwölf Jahren und eine Frist von einem Jahr für Kinder ab dem 12. Lebensjahr kennt (Art. 47 Abs. 1 AuG).
Das Hinzufügen der Artikel 42 Abs. 2 und 47 Abs. 2 AuG nach dem Modell des FZA, welche den Schweizerinnen und Schweizern das Recht auf Familiennachzug für Familienangehörige mit einer dauerhaften Aufenthaltsbewilligung in einem EU- oder EFTA-Staat gewährt, löst dieses Problem nicht und die Diskriminierung bleibt bestehen.
Allerdings bleibt abzuwarten, ob das FZA nach der Annahme des Initiative gegen Massenein-wanderung der SVP vom 9. Februar 2014 noch Anwendung findet. Zum heutigen Zeitpunkt ist die Anwendung des FZA als Teil des internationalen Rechts direkt und unmittelbar.
Alfred Ngoyi
Jurist, spezialisiert im schweizerischen Migrationsrecht
Die Initiative "Schweizer Recht statt fremde Richter" der SVP ist ein Verstoss gegen die Rechtsstaatlichkeit der Schweiz
Ein Rechtsstaat muss sich den durch ihn unterzeichneten internationalen Abkommen unterord-nen. Dieser Grundsatz wird durch die Selbstbestimmungs-Initiative der SVP "Schweizer Recht statt fremde Richter" infrage gestellt. Die Initiative der SVP zielt vor allem auf die europäische Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950 (EMRK), welche ein wichtiges Instrument des internationalen Rechtes in unserem Staat ist.
Hintergrund der Initiative ist das Urteil Udeh gegen Schweiz, welches vom Europäischen Ge-richtshof für Menschenrechte im Jahr 2012 gefällt wurde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte darin die Schweiz aufgrund der Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens (Artikel 8 EMRK) eines nigerianischen Staatsangehörigen und seiner Schweizer Kindern in einem Prozess zum umgekehrten Familiennachzug (Recht auf eine Auf-enthaltsbewilligung für den ausländischen Elternteil eines Kindes mit einer dauerhaften Aufent-haltsbewilligung in der Schweiz). Dieses Urteil hat in den politischen und juristischen Kreisen viel Aufsehen erregt.
Nebst dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens garantiert die EMRK viele weitere Grundrechte, welche Ausländer betreffen. Beispiele dafür sind das Rückschiebungsverbot (Art. 3), das Recht auf Freiheit, vor allem im Bereich von administrativer Haft zur Vollstreckung der Ausschaffung (Art. 5), das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6), das Recht auf Eheschliessung unter Berücksichtigung des Lex Toni Brunner (Art. 12) etc.
Im Asylbereich ist das Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (FK) von der Initiative betroffen und läuft Gefahr, infrage gestellt zu werden. Gleiches gilt für das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, welches sogar einen Kontrollme-chanismus zur Umsetzung des Abkommens beinhaltet (UN-Ausschuss gegen Folter).
Mit der Lancierung ihrer Initiative zielt die SVP auf die in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer sowie potentielle MigrationskandidatInnen ohne sich der Auswirkungen der Initi-ative auf die Schweizerinnen und Schweizer bewusst zu sein. Denn die EMRK schützt auch die Schweizerinnen und Schweizer vor der Willkür der Schweizer Gerichte und Behörden dank mehreren weiteren Grundrechten.
Schlussendlich besteht die Gefahr, dass die Schweiz vom monistischen zum dualistischen Sys-tem wechselt, was meiner Meinung nach nicht wünschenswert ist.
Alfred Ngoyi
Jurist, spezialisiert im schweizerischen Migrationsrecht
Hintergrund der Initiative ist das Urteil Udeh gegen Schweiz, welches vom Europäischen Ge-richtshof für Menschenrechte im Jahr 2012 gefällt wurde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte darin die Schweiz aufgrund der Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens (Artikel 8 EMRK) eines nigerianischen Staatsangehörigen und seiner Schweizer Kindern in einem Prozess zum umgekehrten Familiennachzug (Recht auf eine Auf-enthaltsbewilligung für den ausländischen Elternteil eines Kindes mit einer dauerhaften Aufent-haltsbewilligung in der Schweiz). Dieses Urteil hat in den politischen und juristischen Kreisen viel Aufsehen erregt.
Nebst dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens garantiert die EMRK viele weitere Grundrechte, welche Ausländer betreffen. Beispiele dafür sind das Rückschiebungsverbot (Art. 3), das Recht auf Freiheit, vor allem im Bereich von administrativer Haft zur Vollstreckung der Ausschaffung (Art. 5), das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6), das Recht auf Eheschliessung unter Berücksichtigung des Lex Toni Brunner (Art. 12) etc.
Im Asylbereich ist das Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (FK) von der Initiative betroffen und läuft Gefahr, infrage gestellt zu werden. Gleiches gilt für das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, welches sogar einen Kontrollme-chanismus zur Umsetzung des Abkommens beinhaltet (UN-Ausschuss gegen Folter).
Mit der Lancierung ihrer Initiative zielt die SVP auf die in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer sowie potentielle MigrationskandidatInnen ohne sich der Auswirkungen der Initi-ative auf die Schweizerinnen und Schweizer bewusst zu sein. Denn die EMRK schützt auch die Schweizerinnen und Schweizer vor der Willkür der Schweizer Gerichte und Behörden dank mehreren weiteren Grundrechten.
Schlussendlich besteht die Gefahr, dass die Schweiz vom monistischen zum dualistischen Sys-tem wechselt, was meiner Meinung nach nicht wünschenswert ist.
Alfred Ngoyi
Jurist, spezialisiert im schweizerischen Migrationsrecht
Kritische Analyse des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration
Die Anpassungen des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer, die am 1. Januar 2019 in Kraft treten werden, verdienen eine kritische Beleuchtung.
Unserer Ansicht nach verstärkt das neue Gesetz die bereits bestehenden Ungleichheiten zwischen den Kantonen in der Anwendung des Gesetzes. Obwohl das Bundesgesetz die Kriterien der Integration festlegt und präzisiert, werden die Kantone zukünftig einen grösseren Spielraum haben, was die Gefahr der Willkür der Behörden in manchen Fällen zu erhöhen droht.
Dies betrifft zum Beispiel Frauen mit kleinen Kindern, die Schwierigkeiten haben, eine Arbeit zu finden, weil sie sich um ihre Kinder kümmern müssen. Was die Sprachkenntnisse angeht, werden einige Personen, darunter vor allem Analphabeten und Personen im fortgeschrittenen Alter, Mühe haben, beispielsweise das Niveau A2 oder B1 in Deutsch zu erreichen. Dies liegt jedoch nicht daran, dass sie sich nicht integrieren wollen, sondern daran, dass sie nicht über den notwendigen Intellekt verfügen, um beispielsweise die Grammatikprüfung des TELC zu bestehen.
Der Begriff "Integration" bleibt unserer Meinung nach trotz den durch das Gesetz festgelegten Kriterien ein unbestimmter Rechtsbegriff. Dieser Begriff führt schon unter Anwendung des aktuellen Gesetzes zu einer Ungleichheit zwischen den Kantonen und die neuen Anpassungen werden den Kantonen einen zusätzlichen Spielraum zugestehen.
Was Aufenthaltsbewilligungen betrifft, die im Rahmen eines Familiennachzugs erteilt werden, drohen die Gesetzesänderungen das Recht auf Familienleben auszuhöhlen. Es handelt sich dabei um ein Grundrecht, welches in unserer Verfassung und in internationalen Verträgen, in denen die Schweiz Vertragspartei ist, festgehalten ist. Die Tatsache, dass jemand ein bestimmtes Sprachniveau nicht vorweisen kann, darf für den Staat keinen Grund darstellen, sich in das Familienleben seiner Bürger einzumischen.
Was den Zugang zum Arbeitsmarkt von vorläufig aufgenommenen Personen (Ausweis F) betrifft, handelt es sich um einen Schritt in die richtige Richtung. Das Problem wird jedoch weiterhin bestehen, da sich die Arbeitgeber aufgrund des Vermerks "vorläufig" im Ausweis F weigern, vorläufig aufgenommene Personen anzustellen und Arbeitsuchende mit Ausweis B oder C bevorzugen. Ausserdem ist zu befürchten, dass man beginnen wird, die vorläufige Aufnahme von Ausländern, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, zu widerrufen. Diese Vorgehensweise würde allerdings das Konzept der vorläufigen Aufnahme aushöhlen.
Zusammenfassend gesehen, stellen diese Anpassungen somit eine Verschärfung dar.
Alfred Ngoyi
Jurist, spezialisiert im schweizerischen Migrationsrecht
Unserer Ansicht nach verstärkt das neue Gesetz die bereits bestehenden Ungleichheiten zwischen den Kantonen in der Anwendung des Gesetzes. Obwohl das Bundesgesetz die Kriterien der Integration festlegt und präzisiert, werden die Kantone zukünftig einen grösseren Spielraum haben, was die Gefahr der Willkür der Behörden in manchen Fällen zu erhöhen droht.
Dies betrifft zum Beispiel Frauen mit kleinen Kindern, die Schwierigkeiten haben, eine Arbeit zu finden, weil sie sich um ihre Kinder kümmern müssen. Was die Sprachkenntnisse angeht, werden einige Personen, darunter vor allem Analphabeten und Personen im fortgeschrittenen Alter, Mühe haben, beispielsweise das Niveau A2 oder B1 in Deutsch zu erreichen. Dies liegt jedoch nicht daran, dass sie sich nicht integrieren wollen, sondern daran, dass sie nicht über den notwendigen Intellekt verfügen, um beispielsweise die Grammatikprüfung des TELC zu bestehen.
Der Begriff "Integration" bleibt unserer Meinung nach trotz den durch das Gesetz festgelegten Kriterien ein unbestimmter Rechtsbegriff. Dieser Begriff führt schon unter Anwendung des aktuellen Gesetzes zu einer Ungleichheit zwischen den Kantonen und die neuen Anpassungen werden den Kantonen einen zusätzlichen Spielraum zugestehen.
Was Aufenthaltsbewilligungen betrifft, die im Rahmen eines Familiennachzugs erteilt werden, drohen die Gesetzesänderungen das Recht auf Familienleben auszuhöhlen. Es handelt sich dabei um ein Grundrecht, welches in unserer Verfassung und in internationalen Verträgen, in denen die Schweiz Vertragspartei ist, festgehalten ist. Die Tatsache, dass jemand ein bestimmtes Sprachniveau nicht vorweisen kann, darf für den Staat keinen Grund darstellen, sich in das Familienleben seiner Bürger einzumischen.
Was den Zugang zum Arbeitsmarkt von vorläufig aufgenommenen Personen (Ausweis F) betrifft, handelt es sich um einen Schritt in die richtige Richtung. Das Problem wird jedoch weiterhin bestehen, da sich die Arbeitgeber aufgrund des Vermerks "vorläufig" im Ausweis F weigern, vorläufig aufgenommene Personen anzustellen und Arbeitsuchende mit Ausweis B oder C bevorzugen. Ausserdem ist zu befürchten, dass man beginnen wird, die vorläufige Aufnahme von Ausländern, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, zu widerrufen. Diese Vorgehensweise würde allerdings das Konzept der vorläufigen Aufnahme aushöhlen.
Zusammenfassend gesehen, stellen diese Anpassungen somit eine Verschärfung dar.
Alfred Ngoyi
Jurist, spezialisiert im schweizerischen Migrationsrecht